La Passerella | commuting, travel writing

La Passerella

“Passerella” bedeutet “Steg” und so heißt die Fußgängerbrücke in Rovereto. Sie wurde kürzlich gebaut, direkt vorm Bahnhof. Sie soll wohl dem Problem abhelfen, dass dort häufig Passant:innen überfahren werden. Auf dem Bahnhofsvorplatz ist ein enger, unübersichtlicher Kreisverkehr, den man auf dem Weg in die Stadt nur mit einer mehrfach gestückelten Ampelschaltung überqueren kann.

Die Passerella ist aus ordentlichem Material gebaut, Holz und Metall, und sieht auch nicht schlecht aus. Eingeweiht wurde sie beim jährlichen Mountan-Bike Rennen, vermutlich stammen die Gelder zum Teil aus irgendeinem Topf für regionale Tourismusförderung.

Aber alle hassen die Passerella. Kurz nach ihrer Einweihung musste eine große Tafel angebracht werden, die streng darauf hinweist, die Ampel nicht mehr zu benutzen. Zur rush-hour versperren rot-weiße Plastikketten den Übergang am Boden. Trotzdem versuche ich meist weiterhin, auf eine der seltenen Grünphasen zu warten.

Wie jedes Problem, das neoliberal gelöst wird, bietet die Passerella nur den Gesunden und Disziplinierten Sicherheit. Wenn ich mich doch manchmal schnaufend, mein Gepäck hinter mir herschleifend, hochquäle, bilde ich mir ein, die Stufen seien extra so errechnet worden, dass sie zusätzliche Anstrengung kosten und ein Gefühl von Unzulänglichkeit vermitteln. Dabei habe ich ziemlich lange Beine. Mit Kinderwagen, Krücken oder Rollstuhl kommt man hier nicht hinüber, für Pfennigabsätze und Pfoten ist das Metallgitter auch schlecht begehbar.

Und obwohl man fit sein muss, um den sicheren Weg zu benutzen, wird die Sicherheit doch nur gewonnen, weil die im Ganzen gesehen schwächere Partei umgeleitet wird. Die Autos bilden weiter einen mörderischen Strudel zwischen Bahnhof und Stadtzentrum. Anstatt die fossilen Aggressoren zu ersetzen, kaschiert man den naheliegendsten ihrer unschönen Effekte. Wer sich jetzt überfahren lässt, ist selber schuld: er hätte ja die Passerella benutzen können.